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Pseudophysik - das Dilemma der Alternativmedizin

von Hermann Grösser

Zum Ergreifen der Wahrheit braucht
es ein viel höheres Organ
als zur Verteidigung des Irrtums.

Goethe zum Thema „Wahrheit und Irrtum“.


Wer sich mit Themen der Alternativmedizin und vor allem mit biophysikalischen Geräten und Methoden befasst, hatte in den letzten Wochen und Monaten nicht nur ausführlich Gelegenheit seinen Kenntnisstand zu erweitern, sondern wurde auch mit den unterschiedlichsten Meinungen konfrontiert. Zum einen waren da kritische Stimmen aus den eigenen Reihen zu hören und zum anderen wurden seitens der Schulmedizin wieder einmal mehr alternative Verfahren angeprangert und als Humbug und irrational dargestellt.

Fangen wir bei dem an, was von der Schulmedizin häufig als Humbug definiert wird.

An erster Stelle wird da die Elektroakupunktur genannt, die u.a. auch fester Bestandteil der meisten Bioresonanzgeräte ist. Gemessen wird bei dieser Methode der Hautwiderstandswert an Akupunkturpunkten und seine Veränderungen beim Einbringen von Testsubstanzen, wie z.B. Allergene. Aus den Messwerten glaubt der Anwender diagnostische und therapeutische Schlüsse ziehen zu können. Englische Ärzte testeten die Methode an 15 Freiwilligen, die im Prick-Test positiv auf Hausstaubmilben und Katzenhaare reagierten, sowie an 15 Personen mit negativem Ergebnis im Prick-Test. Bei jedem Probanten wurden von jeweils drei Untersuchern insgesamt 54 Tests durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten keine Korrelation mit Resultaten der herkömmlichen Hauttestung. Das galt für jeden der drei Untersucher. Fazit: die Elektroakupunktur nach Voll ist kein valides Diagnoseverfahren zur Allergietestung.

Der Report wurde in der Münchener Medizinischen Wochenzeitschrift (2001, 143 (30):19) sowie im Stern (Nr. 32: 17). kommentiert. Auf den Internet-Seiten von Stern war dazu Folgendes zu lesen: Rückschlag für die Alternativmedizin: Die „Elektroakupunktur nach Voll“ (EAV), bei der zur Diagnose von Allergien mit Spezialgeräten der Hautwiderstand gemessen wird, erweist sich als untauglich. Zwei der englischen Ärzte, die das EAV-Verfahren neu untersucht haben, galten bislang als Befürworter der Methode. Nun sind sie überzeugt, „dass die EAV nicht für die Diagnose von Umwelt-Allergien verwendet werden kann“. Edzard Ernst (Exeter University), Europas führender Alternativmedizin-Forscher nannte die EAV daraufhin „Humbug“. Weiterhin am besten geeignet ist die herkömmliche Methode, bei der potenzielle Allergene in die Haut gepikst werden.

Dass die EAV seitens der Schulmedizin von jeher kritisch betrachtet bzw. abgelehnt wird, ist nichts Neues. So finden auch die immer wieder vorgebrachten Argumente ihrer Gegner kaum mehr Beachtung, getreu dem Motto: Was verstehen schon Schulmediziner von alternativen Test- und Behandlungsmethoden. Die Kritik reißt jedoch nicht ab, im Gegenteil, sie kommt sogar aus Kreisen, die der Alternativmedizin im Allgemeinen wohl gesonnen sind. In einem aufschlussreichen Artikel zum Thema „Elektroakupunktur – Für und Wider“ macht Dipl.-Ing. Eberhard W. Eckert deutlich, dass nicht einmal das physikalische Fundament der Methode auf einer soliden Basis steht – Existenz der Meridiane und der Akupunkturpunkte vorausgesetzt (CO’MED Nr.10-2001). Ebenso wenig Zuspruch findet die EAV in einer kürzlich erschienen vierteiligen Serie in den Zahnärztlichen Mitteilungen (Nr. 14 -17 /
2001), die unter dem Titel „Alternativmedizin auf dem Prüfstand“ eine Reihe alternativer Verfahren untersucht und aus wissenschaftlicher Sicht kommentiert. Der Verfasser, Prof. Dr. rer. nat. Hermann Meiners, Physiker und Materialkundler an der Uni in Münster bemängelt die unhaltbaren physikalischen Argumente einiger Vertreter der Alternativmedizin und kommt zu dem Ergebnis: Alles irrational!

Da es sich um eine etwas andere Darstellung als bei der 3-A-Gruppe (Anti-Alternativ-Allianz) handelt, die in dem Handbuch Die Andere Medizin (Stiftung Warentest) ihre Ansichten zum Besten gibt, erscheint es sinnvoll sich näher mit den Ausführungen von Meiners zu befassen. Es ist erstaunlich, dass ein Materialwissenschaftler, der sich in erster Linie mit toter Materie befasst, sich nun auch mit Methoden auseinander setzt, bei denen es vorwiegend um die Kommunikation mit dem Lebendigen geht. Gemäß der umfangreichen Literaturliste hat sich Meiners gründlich mit der Thematik auseinander gesetzt, vermutlich aber mehr theoretisch als praktisch, denn es ist zweifelhaft, ob er sich mit dem einen oder anderen Verfahren auch direkt am Patienten beschäftigt hat.

Es ist nicht die Absicht des Autors, diese umfangreiche Arbeit zu kritisieren oder zu verwerfen, denn der Bericht enthält Tatsachen, die jeden, der berechtigter Kritik offen gegenübersteht, zwangsläufig zum Nachdenken wenn nicht sogar zum Umdenken anregen muss. Wer sich im Detail darüber informieren möchte, konsultiert am besten die Homepage der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ im Internet unter: www.zm-online.de unter der Rubrik „Archiv“ die Ausgaben 14, 15 16 und 17 oder verschafft sich die Originalausgaben (Anschrift der Redaktion: Postfach 41 01 68, 50861 Köln, Tel.:0221-40 01-0, Fax: 0221-40 01-253).

Nachfolgend jedoch ein kurzer Einblick und Kommentar über diesen Bericht. Gemäß den Ausführungen von Meiners ist zwischen wissenschaftlich anerkannten Naturheilverfahren und solchen, die – zumindest bisher – keine derartige Anerkennung gefunden haben, zu unterscheiden. Zur ersten Kategorie gehören Naturheilverfahren, die natürliche Reize nutzen, wie z.B. Bewegung, Wärme, Kälte, Klima, Sonne, Luft, Wasser oder Diät. Demgegenüber stehen alternative Verfahren, die sich zwar des bereits (von der Wissenschaft) besetzen Begriffs der „Naturheilverfahren“ bedienen, als solche jedoch von ihr nicht anerkannt sind. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  • In Grenzen wirksame Maßnahmen, die jedoch ohne gesicherte wissenschaftliche Erklärung sind (wie Akupunktur; Teile des Ayurveda), Maßnahmen mit zumindest plausiblem theoretischen Hintergrund, bei denen aber die wissenschaftliche Anerkennung aussteht (wie Diagnose und Therapie mittels Elektroakupunktur, Softlaser- oder Magnetfeld-Therapie),
  • Maßnahmen, deren Begründungen vor dem Hintergrund unserer derzeitigen naturwissenschaftlichen Kenntnisse offensichtlich irrational sind (wie Medikamenten-/Substanzen-Test mit der EAV, Homöopathie mit hohen Potenzen, Bioresonanz-Diagnostik/-Therapie, Kinesiologie, Pendeln) und deren Wirkung dem Placeboeffekt zuzuschreiben sind.

Auffallend ist, dass die als irrational bezeichneten Verfahren alles bewusstseinsrelevante Methoden sind, die, da anwenderbedingt, sich einer nach rein wissenschaftlichen Kriterien vorgenommenen Bewertung entziehen. Verständlicherweise, denn die Wissenschaft hat keine Möglichkeit einer objektiven Bewertung von Methoden, bei denen der Anwender Teil des Funktionsprinzips ist. Hierin liegt aber genau die bisher nicht genutzte Chance der Alternativmedizin, denn die qualitativen, bewusstseinsrelevanten Faktoren sind ihre stärkste Waffe und natürlich auch das schwächste Glied einer quantitativen wissenschaftlichen Beweisführung. Würden derartige Verfahren von ihren Herstellern offiziell als bedienerabhängige bzw. bewusstseinsrelevante Methoden deklariert werden, hätte die Schulmedizin wenig stichhaltige Argumente gegen sie vorzubringen.

Es bliebe zwar immer noch der Placebo-Effekt, doch dieser tritt bekanntlich bei allen Behandlungen auf, also auch bei den sogenannten „wissenschaftlich anerkannten“, was auch von der Schulmedizin zugegeben wird und eingehend untersucht ist (Gauler/Weihrauch, Placebo, ein wirksames und ungefährliches Medikament?, Urban & Schwarzenberg, 1997). Da bei diesem Effekt jedoch immaterielle Komponenten im Spiel sind, die rein wissenschaftlich nicht erfassbar sind gilt zu überlegen, ob vielleicht nicht gerade die als „unkonventionell“ bezeichneten Methoden wie z.B. die Bioresonanz und Co. den Placebo-Mechanismus sogar fördern. Wenn dem so wäre, hätte die Schulmedizin mit dem Placebo-Argument allerdings ein Eigentor geschossen, denn viele der iatrogenen Krankheiten könnten bei verstärkter Anwendung bewusstseinsrelevanter Methoden mit Sicherheit vermieden werden, ganz abgesehen von den erheblichen Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen. Auch das oft zu lesende Argument der Kritiker, dass Behandlungen mit derartigen Therapieformen zwar harmlos aber trotzdem mit Risiken behaftet seien, da Kranke eine eventuell notwendige schulmedizinische Behandlung versäumen würden, scheint eher einen angstmachenden Charakter, als einen praktisch fundierten Hintergrund zu haben. Sollten derartige Fälle tatsächlich existieren, so dürften sie jedoch in keiner Relation zu den Tausenden von Fehlbehandlungen mit Todesfolgen der Schulmedizin stehen.

Doch zurück zu Meiners. Von den in seinem Bericht als irrational bezeichneten Verfahren soll im Folgenden die Bioresonanz als Paradebeispiel herausgegriffen und kurz kommentiert werden. Kaum ein anderes Verfahren hat die Alternativ-Medizin derart ins negative Rampenlicht gerückt, als gerade diese. Die Gründe dafür sind einfach und leicht verständlich. Das seit nahezu fünfundzwanzig Jahren gelehrte Modell der Bioresonanz widerspricht gesicherten physikalischen Erkenntnissen, ist also eine Herausforderung sonders gleichen für jeden naturwissenschaftlich gebildeten Menschen, ob Therapeut oder nicht. Ihre Protagonisten haben von Anbeginn an die Methode auf einen physikalischen Hintergrund gedrückt und wider besserer Erkenntnis das Modell bis zum heutigen Tage beibehalten. Kein Wunder, wenn derartiges Verhalten auch linksgerichtete Kritiker veranlasst, die Bioresonanz und deren Derivate der esoterischen Therapieszene zuzuordnen (Colin Goldner, Die Psycho-Szene, Aschaffenburg, 2000). Es ist müßig, an dieser Stelle auf Details weiter einzugehen, wer sich dafür interessiert, sei auf den Artikel: „Das Vermächtnis der Pseudophysiker“ von Hermann Grösser in „Der Heilpraktiker & Volksheilkunde“ 7/01 hingewiesen, wo diese Thematik erschöpfend behandelt wurde (www.verlag-volksheilkunde.de.

Therapeuten sind natürlich in erster Linie an der Wirksamkeit einer Methode und weniger an ihrem Funktionsmodell interessiert. Auch wenn ein Modell sich als irrational herausstellt, kann die Methode im praktischen Einsatz trotzdem wirksam sein. Sie ist es vor allem dann, wenn der Anwender daran glaubt und von ihrer Wirkung überzeugt ist. Dass die Bioresonanz teils erstaunliche Heilerfolge vorweisen kann, bestreitet niemand. Doch warum eine Methode unterstützen, die pseudophysikalische Modelle postuliert und so die Alternativmedizin lächerlich macht und die Therapeuten, die damit arbeiten in den Augen der Schulmedizin als ein unbelehrbarer und dem Irrationalen verfallener Haufen erscheinen läßt. Schlussendlich gibt es auch noch andere alternative Methoden, die ebenso Erfolg versprechend und weniger der dauernden Kritik seitens der Wissenschaft ausgesetzt sind. Und noch etwas gibt es in diesem Zusammenhang zu beachten: Falsche Modelle verzerren die Wettbewerbssituation und benachteiligen all diejenigen Firmen, die sich um Klarheit bemühen und die auf die bewusstseinsrelevanten Phänomene, d.h. der anwenderbedingten Faktoren bei ihren Verfahren hinweisen.

Mit Recht bemerkt Meiners, dass die Alternativmedizin sich der Physik bedient, in der Hoffnung, gerade von denen akzeptiert zu werden, die sie auf Grund ihrer pseudophysikalischen Argumentation ablehnen. Nach seiner Ansicht erscheint jedoch eine Diskussion mit den Vertretern der Alternativmedizin nicht sinnvoll, da sie wie eine Glaubensgemeinschaft agieren und wissenschaftlichen Argumenten nicht zugänglich sind. Mit Gläubigen oder sich gläubig gebenden kann man über das Geglaubte nicht wissenschaftlich diskutieren; denn Gläubige, so Meiners, dulden keine Skepsis. Ob beide Lager je zu einem Konsens finden, wird die Zukunft weisen, bis jetzt scheint er jedenfalls noch in weiter Ferne zu liegen. Wer jedoch laufend einen Paradigmenwechsel fordert, sollte zuerst einmal über seine eigene Position nachdenken. Für Pseudophysiker heißt dies, Abkehr vom Missbrauch etablierter Termini sowie unhaltbarer Vorstellungen und Eingestehen der bewusstseinsrelevanten Faktoren ihrer Methoden. Mit anderen Worten: Mit pseudophysikalischen Modellen ist nichts zu erreichen – nicht die Wissenschaft ist uneinsichtig, sondern die, die sie dafür halten!

Dank Fortschritt in Elektronik und Computertechnik werden immer wieder neue Test- und Therapiegeräte entwickelt, teilweise mit phantastischen Möglichkeiten, wie z.B. automatisches Testen und Therapieren. Wissenschaftsgläubigen mögen diese mit mirakulösen Eigenschaften ausgestatteten Geräte als Vorboten für eine neue Zeit erscheinen, anderen dagegen höchstens als zeitgemäße Variante naiver Physikgläubigkeit. In welche Kategorie sie nun tatsächlich einzustufen sind, bleibt schlussendlich der Beurteilung eines jeden einzelnen überlassen. Sollten Sie sich jedoch mit dem Gedanken einer Neuanschaffung tragen, so prüfen Sie sorgfältig die einzelnen Angebote und Publikationen der jeweiligen Hersteller. Entscheiden Sie sich am besten für die Firma, deren Integrität Sie nicht anzweifeln und für das Gerät, mit dem Sie sich auch gefühlsmäßig voll und ganz identifizieren können. Bedenken Sie stets, dass ein Gerät, auch wenn es noch so verlockende technische Eigenschaften haben sollte, erst dann zum therapeutischen Instrument wird, wenn lebender Geist (Anwender) dahinter steht.

© Hermann Groesser, 8.2002

*Erweiterte und überarbeitete Fassung des Artikels: Alternativmedizin auf dem Prüfstand – Rote Karte für Pseudophysiker. Erschienen in „Der Heilpraktiker & Volksheilkunde“ 2/2002.

Der Begriff Alternativmedizin versteht sich als Alternative, während Komplementärmedizin als Ergänzung zur Schulmedizin angesehen wird. Eine einheitliche Definition und Klassifizierung der jeweiligen Methoden existiert jedoch nicht. International hat sich die englische Bezeichnung CAM (complimentary alternativ medecine) durchgesetzt. Näheres dazu in dem vom englischen House of Lords am 21. November 2000 veröffentlichten Report „Science and Technology – Sixth Report“.

www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld199900/ldselect/ldsctech/123/12301.htm

Wer sich über das Thema Heilung und komplementär-alternative Medizin weiter informieren möchte sei auf den Artikel „Wie Heilung geschieht“ der englischen Wissenschaftler Hodges und Scofield, hingewiesen, deren Übersetzung hier (siehe Menü oben) veröffentlicht ist. Die englische Originalversion „The healing Effect“ ist im Internet zu finden unter: www.felfield.u-net.com/unifying%20prin.htm

© 08.2003 Sudden Inspiration Verlag